Das französische Statistikamt INSEE hat soeben eine neue Studie über die Ergebnisse mehrjähriger Anstrengungen zur Verbesserung der Wärmedämmung von Wohnhäusern veröffentlicht.

DT2025-16.pdf

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Das Thema klingt technisch, ist aber zentral für Europas Energieprobleme. In Frankreich verbrauchen private Haushalte etwa ein Viertel der gesamten Energie des Landes. Ein großer Teil des Wohnungsbestands ist sehr alt – voller Gebäude, die die Franzosen ironisch „thermische Siebe“ nennen: zugige Häuser, in denen Wärme ungehindert durch Wände, Dächer und Fenster entweicht. Für die Bewohner bedeutet das: hohe Heizkosten im Winter. Für Regierungen, die um jede Kilowattstunde ringen, wirkt es wie die naheliegende Lösung.

Daher haben fast alle europäischen Länder Programme aufgelegt, um den alten Bestand zu sanieren. Frankreich ging sogar so weit, Vermietern zu verbieten, schlecht gedämmte Wohnungen zu vermieten – in der Hoffnung, Eigentümer so zum Handeln zu zwingen. Doch anstelle einer Renovierungswelle folgte eine Krise auf dem Mietmarkt.

Dass Dämmung nicht automatisch Wunder bewirkt, zeigte bereits vor zwei Jahren eine britische Studie mit dem sperrigen Titel Assessing the effectiveness of energy efficiency measures in the residential sector gas consumption through dynamic treatment effects: Evidence from England and Wales. Hinter der akademischen Fassade steckten zwei bemerkenswerte Ergebnisse.

Assessing the effectiveness of energy efficiency measures in the residential sector gas consumption through dynamic treatment effects_ Evidence from England and Wales - ScienceDirect.pdf

Assessing the effectiveness of energy efficiency measures in the residential sector gas consumption through dynamic treatment effects_ Evidence from England and Wales - ScienceDirect.pdf

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Erstens: Wenn die Dämmung verbessert wird, sparen die Bewohner nicht unbedingt Energie. Stattdessen drehen viele die Heizung höher. Die Heizkosten sinken kaum – manchmal steigen sie sogar. Mehr Komfort ja, weniger Verbrauch nicht unbedingt.

Zweitens: Dämmung bringt nur dann etwas, wenn sie richtig gemacht wird – von Fachleuten, mit hochwertigen Materialien und einem Konzept, das auf das jeweilige Gebäude zugeschnitten ist. Alles andere ist Kosmetik. Wird gepfuscht, blättert nach zwei Jahren der Putz, verziehen sich Platten, und nach fünf Jahren ist das Haus wieder so undicht wie zuvor.

Die neue INSEE-Studie vom Juli 2025 bestätigt diese Skepsis – und zwar anhand von realen Verbrauchsdaten aus Smart-Metern. Das Ergebnis: Dämmung wirkt, aber der Effekt ist überschaubar. Im Schnitt sank der Stromverbrauch in elektrisch beheizten Häusern um 5,4 Prozent, der Gasverbrauch in gasbeheizten Häusern um 8,9 Prozent. Am meisten profitierten die größten Verbraucher: bis zu 9,2 Prozent weniger Strom und 16,6 Prozent weniger Gas.

Doch der Abstand zwischen Theorie und Realität ist enorm. Tatsächlich erreichten die Einsparungen nur 36 bis 47 Prozent der Werte, die Modelle versprechen – die Forscher sprechen von der energy performance gap. Die Ursachen: etwa 40 Prozent gehen auf mangelhafte Ausführung zurück, weitere 40 Prozent auf überoptimistische Berechnungen (vor allem bei der Fassadendämmung), und nur rund 6 Prozent auf den sogenannten Rebound-Effekt – also den Wunsch, es nach der Sanierung einfach wärmer zu haben.

Deutlich wird auch, wie stark Verhalten und Lebensumstände zählen. Komfortansprüche, Einkommen und der ursprüngliche Energieverbrauch eines Hauses bestimmen maßgeblich die Wirkung. Für manche einkommensschwachen Haushalte bedeutet bessere Dämmung nicht niedrigere Rechnungen, sondern schlicht die Möglichkeit, die Wohnung endlich ausreichend zu heizen. In solchen Fällen steigt der Verbrauch nach einer Sanierung sogar.

Und die Wirtschaftlichkeit? Ernüchternd. In elektrisch beheizten Häusern lagen die Investitionen im Schnitt bei 14.300 Euro – für jährliche Einsparungen von gerade einmal 120 Euro. In gasbeheizten Häusern betrugen die Kosten durchschnittlich 13.700 Euro, die Ersparnis 150 Euro. Die Amortisationszeit: rund hundert Jahre. Länger als jede Hypothek – und länger, als die verwendeten Materialien überhaupt halten.

Unterm Strich zeigt sich: Dämmung verbessert die Situation – aber die Effekte sind bescheiden, ungleich verteilt und hängen stark von Qualität, Kontext und Verhalten ab. Europas Kampf gegen die „thermischen Siebe“ mag notwendig sein, doch von schnellen Gewinnen und Energie-Wundern kann keine Rede sein. Vorerst gleicht er eher einem langen, teuren Geduldsspiel.

Quellen:

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